Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft Leibniz-Gemeinschaft

Probabilistische Modellierung der Verwendung von Quantoren durch typische und atypische Sprecher (MUQTASP)

Die Untersuchung von quantifikationalen Ausdrücken (wie „einige“ oder „die meisten“) beschäftigt Philosophen, Linguisten, Logiker und Psychologen seit dem Werk von Aristoteles. Die aktuelle Mehrheitsmeinung in der formalen Semantik ist, dass viele oder die meisten quantifikationalen Ausdrücke generalisierte Quantoren bezeichnen, also Relationen zwischen Mengen, mit klar definierten, aber normalerweise logisch schwachen Bedeutungen. Allerdings vermitteln die Ergebnisse von psychologischen Experimenten zur Verwendung und Interpretation von Quantoren ein anderes Bild. Beispielsweise folgern Experimentteilnehmer aus „Einige A sind B“, dass etwa ein Viertel der A B sind, statt zu folgern, dass mindestens ein A B ist, entsprechend der üblichen semantischen Analyse von „einige“. Wir nennen diese engen Intervalle, die in Experimenten beobachtet wurden, „Fokusintervalle“ (focal ranges).

Die Experimente zeigen außerdem, dass das Fokusintervall eines Quantors üblicherweise nicht präzise bestimmt ist, sondern einen vagen und schwer zu beschreibenden Umfang haben kann. Dennoch können Regularitäten bei der Verwendung und Interpretation von Quantoren beobachtet werden. Das Ziel dieses Projekts ist es, eine Brücke zu schlagen zwischen der formalen Semantik und psychologischen Daten zur Verwendung und Interpretation von Quantoren.

Unsere Herangehensweise ist pragmatisch. Wir vermuten, dass die scheinbaren Widersprüche zwischen linguistischer Theorie und experimentellen Daten in der Pragmatik aufgelöst werden können und dass die Untersuchung der Verwendung von Quantoren dabei hilft, allgemeine pragmatische Prinzipien zu verstehen. Die relevanten Prinzipien betreffen kognitive Faktoren, etwa Ungenauigkeiten und Fehler bei der Wahrnehmung und Verarbeitung von quantitativen Größen, Unsicherheit bezüglich des Lexikons eines Gesprächspartners, Unsicherheit bezüglich der kontextuell relevanten Präzisionsstandards und Grenzen im Ausmaß der Theory-of-Mind-Überlegungen, zu denen Sprecher fähig oder willens sind. Da ein so umfassendes psychologisches Bild schnell unhandlich werden kann, verwenden wir eine datengesteuerte probabilistische Modellierung auf der Grundlage neuerer spieltheoretischer und Bayesscher Ansätze.

Auf empirischer Seite ist dieses Projekt bestrebt, systematisch Daten zur Produktion und Interpretation von quantifikationalen Ausdrücken zu sammeln. Wir sind besonders interessiert an möglichen Asymmetrien zwischen Sprecher-Produktion und Hörer-Interpretation, sowie an dynamischen Anpassungsprozessen in der wiederholten Interaktion zwischen Sprecher und Hörer. Außerdem werden wir nicht nur neurotypische Erwachsene betrachten, sondern auch neurotypische Kinder sowie Erwachsene mit Autismus-Spektrum-Störung. Es ist bekannt, dass bei den beiden letzteren Gruppen pragmatische Defizite auftreten. Da wir die Daten mit einheitlichen Stimuli und Aufgabenarten in statischen und dynamischen Kontexten von diesen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen erheben, werden wir unter der Verwendung von expliziten probabilistischen Modellen vorhandene Theorien der pragmatischen Fähigkeiten von Kindern und von Erwachsenen mit Autismus-Spektrum-Störung überprüfen können.

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